Jahresbericht 2017
Der Wiederaufbau in Nepal stockt, weil nicht genügend Fachkräfte vorhanden sind. Swisscontact bildete im Distrikt Sindhuli deshalb 600 Personen zu Bauarbeiterinnen und Bauarbeitern aus und schulte 400 Maurer. Nun haben sie nicht nur neue Einkommensmöglichkeiten, sondern finden auch zurück in die Normalität.
Anfang 2015 waren die Leute im Distrikt Sindhuli in Nepal optimistisch gestimmt. Ein neuer Highway verband die Region mit Kathmandu. Die Reise in die Hauptstadt verkürzte sich schlagartig von 400 auf 185 Kilometer. Der Transport von Waren und Medikamenten wurde günstiger, der Zugang zu Bildung einfacher. Für die knapp 300 000 Anwohner der Region bedeutete dies den Start einer raschen Entwicklung. Der neue Highway – ein Weg aus der Armut.
Doch dann der 25. April 2015, das Erdbeben. 34 256 Häuser in Sindhuli wurden zerstört, der Highway stark beschädigt. Lebensmittel und Medikamente fanden kaum mehr den Weg in das hügelige Gebiet. Sindhuli zählte zu den 14 am heftigsten getroffenen Regionen. Dennoch war ausser dem nepalesischen Roten Kreuz keine humanitäre Organisation vor Ort. Der Wiederaufbau kam nur schleppend in Gang. Nur gerade 150 Bauarbeiter in Sindhuli wussten, wie Häuser erdbebensicher wiederaufgebaut werden. Für den Wiederaufbau, so schätzte eine Untersuchung, würden aber 4 200 Arbeiter benötigt.
Um diesen Mangel an Fachkräften abzufedern, startete Swisscontact mit Geldern der Glückskette ein Ausbildungsprojekt für Personen, die ihr Zuhause durch das Erdbeben verloren hatten. Im Laufe des 50-tägigen Trainings bauten sie in Gruppen von zehn Personen das Haus eines Gruppenmitglieds wieder auf. Sie lernten dadurch alle Schritte des erdbebensicheren Bauens in der Praxis kennen.
Von den 600 Personen, die an diesen Ausbildungen teilnahmen, waren über ein Drittel (224) Frauen. Da zahlreiche Männer im Ausland arbeiten, haben die Frauen Nepals im Wiederaufbau eine bedeutende Rolle eingenommen. Für 400 Maurer organisierte Swisscontact Weiterbildungen, damit sie ihre Fähigkeiten mit dem Wissen über erdbebensicheres Bauen ergänzen konnten. Über 80 Prozent der Absolventinnen und Absolventen arbeiten weiterhin im Bausektor, auch nachdem sie ihr eigenes Haus aufgebaut haben. An Arbeit mangelt es nicht.
Zusätzlich zu den Trainings lancierte Swisscontact als einzige Organisation im Wiederaufbau eine Aufklärungskampagne für Hausbesitzer. Die Massnahmen reichten dabei von Informationsveranstaltungen in Dörfern bis zu einer nationalen Fernsehsendung. Ziel der Kampagne war es, das Wissen der Bevölkerung über die Bedeutung von erdbebensicherem Bauen zu erweitern, sodass sie für zukünftige Katastrophen besser vorbereitet ist.
Das Swisscontact-Projekt «Ausbildung für den sicheren Wiederaufbau» (Skills for Safe Reconstruction Project) in Nepal besteht aus zwei Hauptkomponenten – der Qualifizierung von Bauarbeitern und der Sensibilisierung von Hausbesitzern. Zusammen bilden sie die Grundlage für einen sicheren Wiederaufbau nach dem Erdbeben vom April 2015. Hier erfahren Sie, welche Punkte unabdingbar sind, damit die neu gebauten Häuser einem nächsten Beben besser standhalten.
Der Zugang zu technischer Unterstützung stellt sicher, dass die behördlich festgelegten Mindestanforderungen von den einzelnen Hausbauern eingehalten werden können. Erst wenn ein staatlich beauftragter Ingenieur diese Mindestanforderungen als erfüllt bestätigt, erhalten die Hausbesitzer staatliche Unterstützung von bis zu 300 000 Nepalesischen Rupien (rund 2800 Franken) für den erdbebensicheren Wiederaufbau ihrer Häuser.
Gut ausgebildete Maurerinnen und Maurer sichern die Qualität der Arbeiten. Sie verfügen über zertifizierte Kenntnisse in erbebensicheren Bautechniken und können diese anwenden.
Eine erdbebensichere Bauweise allein gibt keine Gewähr, dass das Haus vor einem Beben geschützt ist. Es müssen auch hochwertige Materialien verwendet und korrekt eingesetzt werden. Einige Beispiele: Lange und flache Steine zu verwenden, ist besser als kleine runde, da mit Letzteren der Mauerwerksverband ungenügend ist; die Verwendung von qualitativ hochwertigem Holz beugt Fäulnis und Insektenbefall vor und hält das Haus über einen langen Zeitraum stabil; Ziegel müssen vor der Verwendung in Wasser gelegt werden, damit sie anschliessend dem Mörtel nicht die Feuchtigkeit entziehen.
Fehlende Fundamente waren einer der Hauptfaktoren für den Einsturz vieler Häuser. Für ein sicheres und starkes Haus sind Fundamente unerlässlich. Sie tragen nicht nur die Last des Gebäudes ab, sondern schützen auch gegen starke Winde. Zudem sind Fundamente die Verankerungspunkte für die vertikale Armierung des Mauerwerks.
Vertikale Armierungen bestehen aus Stahl- oder Holzbändern, die in den Ecken des Hauses angebracht und oben sowie unten fixiert werden. Bei Bewegungen verhindern sie, dass die Wände «aus dem Haus fallen».
Horizontale Bänder funktionieren wie Gürtel, die um die Taille geschnallt werden. Kombiniert mit der vertikalen Armierung halten sie ein Haus während seismischer Bewegungen in Position.
Leichte Materialien für das Dach sind schweren Baustoffen wie Steinplatten oder flachen Holzdächern, die oft mit einer dicken Erdschicht bedeckt sind, vorzuziehen. Dies reduziert die Belastung für Wände und Fundamente bei seismischen Bewegungen.
Werden definierte Maximalhöhen und optimierte Gebäudeformen eingehalten, kann die Erdbebensicherheit gesteigert werden. Gebäude in U- oder L-Form oder mit langen, freitragenden Wänden sind weniger widerstandsfähig. Auch hohe Gebäude und Häuser mit grossen Tür- und Fensteröffnungen sind anfälliger für Erdbebenschäden.
Im Zeitalter von Stahl und Zement wurde die traditionelle Bauweise mit Steinen vernachlässigt, um Zeit und Geld zu sparen. Dabei macht die jahrhundertealte Technik mit Durchgangs-, Binder- und Ecksteinen die Wände weitaus widerstandsfähiger gegen Erdbebenschäden.
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